Wortlisten, Sprachgeländer und ein Hauch Kommunismus
Donnerstag – für gewöhnlich ein normaler Schultag mit allem, was ein Schultag halt so bereithält. Doch an diesem Donnerstag Mitte Dezember waren die Temperaturen nicht nur frostig, sondern die Klassenzimmer auch leer. Statt ihres gewohnten Arbeitsplatzes nutzten die Schüler im Rahmen eines Studientages den heimischen Horizont für Aufgaben – und die Lehrer?
War die Witterung also so außergewöhnlich, dass der Schultag ausfiel? Mitnichten – denn statt Mathe, Englisch oder Deutsch zu unterrichten, drückten die Lehrer und Lehrerinnen der Realschule selbst für einen Fortbildungstag die Schulbank und tauchten in die Rolle von Lernenden ein. Auf der Tagesordnung stand für die Lehrkräfte eine Fortbildung zum Thema „Sprachsensibilität“.
Sprachsensi-was? – mag der eine oder andere gedacht haben – und war damit schon mitten im Thema. Denn die deutsche Sprache, gerade im Bereich Bildung, hält für ihren Nutzer so einige Hürden bereit, die das Verständnis erschweren oder manchmal sogar unmöglich machen.
Wieso hat der Körper in Biologie Arme und Beine, in Mathematik aber die verschiedensten Formen, deren Flächeninhalt man auch noch berechnen kann? Wieso hat denn auch der Staat Organe, deren Namen manchmal dazu unaussprechlich erscheinen? Und wie kann ein Gespenst namens „Kommunismus“ in Europa umhergehen, dass es der herrschenden Klasse Angst und Bange wird? So manch eine Aufgabe scheitert also schon, bevor sie so richtig angefangen hat, denn ohne das inhaltliche Verständnis entdeckt auch der motivierteste Schüler das Endergebnis nicht.
Genau an diesem Punkt setzte Referent Sebastian Hengstmeyer an und stellte Strategien und Methoden vor, die es Lernenden erleichtern sollen, auch in Themengebiete einzutauchen, die mit sprachlichen Hürden belegt sind. Ob Wortlisten, Tandemaufgaben oder sprachliche Geländer, die im übertragenem Sinne den steilen Anstieg zur Aufgabe erleichtern – auch der sperrigste Begriff kann durchaus so begleitet werden, dass er am Ende entschlüsselt wird.
Bekanntlich ist alle Theorie grau und wird nur durch die Praxis erhellt. Also nutzte jeder der Anwesenden seine Zeit auch, indem er oder sie trainierte, Unterrichtsstunden möglichst sprachsensibel vorzubereiten, um sprachliche Hürden schülergerecht zu gestalten. Dabei stand Sebastian Hengstmeyer mit Rat und Tat zur Seite und gab auch im persönlichen Gespräch so manchen Kniff weiter, der das Lehrerleben etwas leichter machen könnte.
Und die Moral von der Geschicht’? Herausforderungen bleiben Herausforderungen. Bildung ist eine sprachlich so anspruchsvolle Aufgabe, dass Schüler und Lehrer immer wieder an ihre Grenzen kommen – auch sprachlich. Doch nach dieser Fortbildung wissen die Lehrkräfte der Realschule Lemgo, dass so manche sprachliche Grenze umgangen oder zumindest verschoben werden kann. Und so verliert auch das Gespenst des Kommunismus ein wenig an Wirkkraft. Im Geschichtsunterricht schreitet es immer noch durch Europa – doch mit der richtigen Methode gibt es den Schülern nun sein Wissen und sein Wesen preis.
Sebastian Wiesner/Bilder: Pixabay.com