Verein „Stolpersteine – Frenkelhaus“ jetzt Kooperationspartner
Theorie und Praxis gehen nicht immer, aber mitunter Hand in Hand. Aber hier passt es: Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a reinigten am Montag, 6. Mai die meisten der innerstädtisch verlegten „Stolpersteine“ mit Paste, Wasser und Lappen. Tags drauf trafen sich Vertreterinnen und Vertreter des Vereins „Stolpersteine – Frenkelhaus“ mit den erwachsenen Verantwortlichen der Schule, um einen umfassenden und wegweisenden Kooperationsvertrag zu unterzeichnen. Hier ein zusammenführender Bericht…
Montag, 12:30 Uhr. So langsam trudeln die SuS der 10a vor dem Frenkelhaus ein. Zwischen Schule und dem städtischen Museum in der Echternstraße liegen die an sich anstehende Mittagspause sowie der Netto! Also wählen viele der Jugendlichen zunächst den Einkehrschwung im Discounter, um frisch gestärkt bei bestem Wetter an der Gedenkstätte anzukommen.
12:34 Uhr. Detlef Höltke, Annette Paschke-Lehmann und Liesel Kochsiek-Jakobfeuerborn vom o.a. Verein „Stolpersteine – Frenkelhaus“ begrüßen die Gruppe im Innenhof des Areals Frenkelhaus. Erstes Beschnuppern, ein paar Rückfragen. Rein in die kleine Dauerausstellung, die exemplarisch für die Verfolgung, Diskriminierung und Deportation der jüdischen Lemgoerinnen und Lemgoer im Nationalsozialismus die Familie Frenkel mit Karla Raveh als wohl bekannteste Betroffene in den Mittelpunkt stellt. Liesel Kochsiek-Jakobfeuerborn weist auf die verschiedenen Themen und Artefakte der Ausstellung hin. Man sieht sich um.
12:48 Uhr. Vor dem Frenkelhaus gruppiert sich die Truppe um die im Boden eingelassenen 10 x 10 cm kleinen Messingplatten. Über ein Dutzend (von 53 im gesamten Stadtgebiet) sind es allein hier. Erstens war das Haus in der Echternstraße 70 zur Zeit der Nazis ein sog. „Judenhaus“. Zweitens lebte ein Großteil der Familie Frenkel eben hier. Darum die große Anzahl.
12:50 Uhr. Detlef Höltke demonstriert mit Lappen, Reinigungspaste und Geschick, wie die Messingeinlagen kurzerhand wieder zum Strahlen gebracht werden können. Schmieren – Putzen – Einwirken lassen – Polieren! Man sieht den Unterschied sofort! Zweimal im Jahr reinigen auf diese Weise abwechselnd Schülerinnen und Schüler der Realschule sowie Freiwillige der Jugendfeuerwehr Lemgo die dezentralen Gedenksteine. Weitere Putzaktionen des Vereins selbst ergänzen.
12:55 Uhr. Gruppeneinteilung. In vier Teams geteilt begeben sich die Jugendlichen auf die Suche der Steine im Stadtgebiet. Ein Zettel mit den Straßen und Hausnummern hilft. Die Gruppen sollen selbsttätig die Reinigung vornehmen und sich nach verrichteter Säuberung auf dem Marktplatz zwecks Austauschs und Abschluss einfinden.
13:00 bis 14:00 Uhr. Die Säuberungsaktion wird durchgeführt. Im Stadtgebiet putzen und wienern die Schülerinnen und Schüler die im Boden eingelassenen Steine. Es kommt zu Kontakten interessierter Bürgerinnen und Bürger. Ausreichend Flyer des Vereins sind vorhanden und werden ausgehändigt.
14:00 Uhr. Die begleitenden Lehrkräfte treffen die Jugendlichen nach erfolgter Reinigung auf dem Markt. Einige Kugeln Eis werden bei bestem Frühlingswetter konsumiert. Austausch. Die Reinigungen gingen gut voran. Mal wurde intensiver der Lappen genutzt, mal weniger. Ganz normal halt. Viele hatten nicht nur Spaß an der Sache, sondern sind auch ins Nachdenken gekommen. Und darum geht es ja: Das waren keine unbekannten Verfolgte; das waren Nachbarn, Freunde, Kameraden, Kinder.
Blickwechsel
Dienstag, 7. Mai. 12:15 Uhr. Unterzeichnung des Kooperationsvertrages. Dorit Meier als Schulleiterin sowie Thorsten Holling als Verantwortlicher treffen auf Abgesandte des Vereins: Annette Paschke-Lehmann, Detlef Höltke, Grafiker Andi Wolff sowie Liesel Kochsiek-Jakobfeuerborn. Im Pressegespräch erläutern alle Beteiligten die tiefe Bedeutung dieser nun endlich verschriftlichten Kooperation, die keineswegs nur simplen Buchstaben folgen dürfte.
12:45 Uhr. Der Vertrag, der im Übrigen unbefristet angelegt ist, ist unterschrieben und die Tinte getrocknet. Man kann sehen, dass alle Anwesenden nicht nur froh, sondern auch sehr optimistisch gestimmt sind: Es gibt so viel zu tun, es ist so wichtig, dass wir gegen das Vergessen angehen. Dass wir neue Problemfelder mit dem Wissen über das Gestern rechtzeitig bekämpfen. Dass junge Menschen von den Erfahrungen älterer Menschen profitieren.
12:51 Uhr. Pressefotos werden gemacht. Händeschütteln. Doch kein Abschied, sondern ein Versprechen. Gemeinsam weiter an der so wichtigen Aufgabe zu arbeiten. Sich im Frenkelhaus und in der Schule zu besuchen, die Steine zu reinigen, im Gespräch zu bleiben. Den jungen Leuten die Wichtigkeit immer und immer wieder zu vermitteln.
Stephan Krause / Fotos: Stephan Krause